Oft werde ich gefragt, was Pilates eigentlich ist. Was das Pilates-Training auszeichnet und wie sich Pilates von anderen Sportarten abgrenzt. Das sind natürlich die Pilatesübungen, aber vor allem die Art und Weise, wie diese ausgeführt werden – die sogenannten Pilatesprinzipien. Hier erfährst du, warum Pilates für das Gesamtkörpertraining eine echt gute Wahl ist.



Sehr häufig wird Pilates von Frauenärzten empfohlen, damit Frauen nach der Geburt ihres Kindes die Körpermitte wieder stärken. Oft von Physiotherapeuten, um den Körper nach der Rehabilitation schonend und mit wenig Verletzungsrisiko zu trainieren. Und rund um die Wechseljahre ist Pilates das perfekte Training, weil Pilates den Körper strafft und formt und Muskeln aufbaut.

Pilates eignet sich als Ergänzungstraining zu vielen Sportarten. Aber warum ist das so? Weil Pilates sehr kontrolliert den gesamten Körper trainiert, Dysbalancen ausgleicht und die Körperhaltung verbessert.

Warum das möglich ist, liegt natürlich an der Auswahl der Übungen, aber die spezielle Übungsausführung ist das, was Pilates so besonders macht. Und diese spezielle Übungsausführung beruht auf den Pilatesprinzipien.

Die Pilatesprinzipien

Die Pilates-Prinzipien beschreiben die Grundsätze, wie Pilatesübungen ausgeführt werden. Sie sind so etwas wie die Grundlagen von Pilates. Die Essenz, was Pilates ausmacht. Sie alle haben eine körperliche und eine geistige Komponente, sprechen also Körper und Geist an.

Dadurch arbeiten alle Sinne im Training zusammen und ein wesentlich größeres Potential wird genützt.

Es gibt 6 klassische Pilatesprinzipien. Die unterschiedlichen Pilates-Schulen formulieren und interpretieren die Prinzipien leicht verändert. Manche haben noch weitere Prinzipien hinzugefügt. Es sind diese Prinzipien, die Pilates zu der einzigartigen Trainingsart machen, die ich so liebe.

Zentrierung

Im Pilates beginnt jede Bewegung aus dem Körperzentrum, der Körpermitte, der Tiefenmuskulatur. Die Bezeichnung dafür ist Powerhouse, ein Begriff, der dir wahrscheinlich schon untergekommen ist, wenn Pilates nicht ganz neu für dich ist. 

Das Powerhouse umfasst die tiefen Bauchmuskeln, die Beckenbodenmuskulatur und den unteren Rücken im Zusammenspiel mit dem Zwerchfell. Bevor die Bewegung zu sehen ist, werden diese Muskeln bereits angesteuert und aktiviert.

Diese Tiefenmuskulatur zu trainieren bringt dir viele Vorteile. Eine starke Rumpfmuskulatur entlastet deine Wirbelsäule. Sie wird vor Überbelastung und Verschleiß geschützt. Die Bandscheiben werden weniger Druck ausgesetzt und Rückenschmerzen lassen sich so reduzieren. Eine gute Rumpfmuskulatur stärkt und schützt deinen Beckenboden. 

Außerdem ist eine starke Rumpfmuskulatur – auch unter dem Begriff Core-Stabilität bekannt – für unsere aufrechte Körperhaltung und für einen flachen Bauch verantwortlich. Diese Muskeln richten deinen Körper auf und formen ihn. Deine Taille kommt mehr zur Geltung. Stell dir ein natürliches Korsett vor, das den Körper von innen nach außen stärkt.

Um Balance zu halten, brauchst du beispielsweise eine gute Core-Stabilität, weswegen Pilates so oft als Ergänzungssport für andere Sportarten empfohlen wird. 

Wie zu Beginn angedeutet, hat jedes Prinzip auch eine geistige Komponente. Zentrierung heißt, dass alle Gedanken im Hier & Jetzt gesammelt werden. Das bringt den Geist in den Moment und beruhigt uns.

Atmung

Damit das Powerhouse während der gesamten Übung gut gehalten werden kann, wird bei Pilates die Flankenatmung angewendet. Es gibt mehrere Begriffe, die die seitliche Atmung in den Brustkorb bezeichnen: seitliche Brustkorbatmung, Pilatesatmung, laterale Atmung oder interkostale Atmung. Sie alle beschreiben, dass die Rippen dreidimensional ausgeweitet werden. Die Luft wird tief bis in die Lungenspitzen befördert. Das fördert die Konzentrationsfähigkeit, reichert das Blut mit wertvollem Sauerstoff an und unterstützt das Immunsystem.

Die Bauchatmung ist während des Pilatestrainings deswegen nich ideal, weil sie verlangt, dass die Bauchmuskulatur entspannt. Dadurch könnte die Tiefenmuskulatur nicht durchgehend aktiviert bleiben. 

Durch die Flankenatmung kann die Kraft aus der Körpermitte geholt werden, während der Schultergürtel entspannt bleibt. Aus diesem Grund eignet sich der Einsatz der Flankenatmung im Pilates perfekt.

Während der Pilatesübungen soll der Atem in seinem natürlichen Rhythmus fließen, ohne angehalten zu werden. Der Atem gibt sozusagen das natürliche Tempo der Übungen vor, indem Bewegungen mit dem Atem gekoppelt werden. So betont die Einatmung die Länge und die Dehnung, während die Ausatmung der Stabilisierung des Körpers hilft. Dadurch ist es leichter, dass die Bewegungen natürlich, ruhig und fließend ausgeführt werden.

Durch die bewußte Atmung wird eine Verbindung zwischen Körper und Geist hergestellt. Eine bewußt ruhige und fließende Atmung entspannt uns. Wenn wir konzentriert und bewußt atmen, sind wir achtsamer und fokussiert

Pilates gilt als stressreduzierende und entspannende Methode des Körpertrainings. Der Atem spielt eine große Rolle dabei, Stress abzubauen. Wenn wir unter Druck stehen, schlecht und viel sitzen, dann tut das auch etwas mit unserer Atmung. Sie wird flach und ineffizient. Ich denke, wir alle kennen den Zustand, wenn der Atem stockt. Oder wir das Gefühl haben, nicht frei atmen zu können. Die bewußte Auseinandersetzung mit unserer Atmung tut uns gut.

Bewegungsfluss

Im Flow sein. Sich völlig einer Sache hingeben, in ihr aufgehen. Das ist der geistige Aspekt dieses Prinzips. 

Durch die fließenden Bewegungen erfahren wir einen harmonischen Ablauf, der fast an einen Tanz erinnert. Es ist das Engagement, die Fokussierung auf die gleichmässige Bewegungen, die Pilates fast einen meditativen Charakter verleihen. Eine Übung reiht sich im Idealfall geschmeidig an die nächste. Die Übungen folgen einem organischen Ablauf und beruhigen uns.

Kein Hetzen, sondern wir geniessen die Bewegungen. Sie sollen nicht abrupt oder mit Schwung ausgeführt werden, sondern weich, fließend und kontrolliert. Das führt zu einem guten und achtsamen Bewegungsmuster.

Der Bewegungsfluss hilft uns, die Bewegungsabläufe ökonomisch und effektiv auszuführen und sie besser zu verstehen. Wir müssen nicht maximalen Energieaufwand betreiben, lieber aktiviert, elegant und fließend, also mit dem notwendigen und angemessenen Aufwand. Wenn wir das gut verinnerlichen, können wir diese Qualität auch bei unseren alltäglichen Handlungen gut gebrauchen und einsetzen.

Konzentration

Wieder möchte ich mit der geistigen Komponente beginnen. Bei der Konzentration liegt es auf der Hand. Tagsüber werden wir von Gedanken geflutet, die uns erfreuen, stressen oder einfach beschäftigen. Jedenfalls ist es oft eine riesige Fülle. Sehr viele Reize, die wir erfahren und verarbeiten. Wie in einer Meditation kommen wir in einen anderen Zustand, wenn wir uns geistig fokussieren.

Im Pilatestraining konzentrieren wir uns auf die Bewegungsabläufe. Egal was links oder rechts passiert. Die Aufmerksamkeit liegt beim eigenen Körper und der achtsamen Durchführung der Bewegungen. Es passiert nichts so nebenbei, sondern alles geschieht aufmerksam. Das fokussiert die Gedanken und bringt uns in den Moment.

So arbeiten Körper und Geist wieder als perfektes Team zusammen. Das verbessert ganz nebenbei das Körpergefühl und schult uns, wie wir unseren Köper wahrnehmen.

Wenn wir konzentriert arbeiten, wird die Muskelarbeit viel präziser durchgeführt. Die Bewegung wird vom Kopf gesteuert und durch die bewusste und konzentrierte Ausführung reagieren alle muskulären Systeme besonders effektiv und genau

Wenn alle Details beachtet werden, Atmung, perfekte Körperausrichtung und die benötigte Muskelaktivierung führt uns das zum nächsten Pilatesprinzipp: Zur Präzision

Präzision

Die Präzision ist schnell erklärt: Qualität vor Quantität. Es ist wichtig, wie die Übungen ausgeführt werden.

Vor jeder Übung wird die Haltung gecheckt. Ist die Wirbelsäule aufgerichtet und gerade? Sind die Schultern entspannt? Ist der Nacken lang und der Kopf in der Verlängerung der Wirbelsäule? Sind die Füße und Beine in einer optimalen Position? Erst, wenn die korrekte Körperhaltung eingenommen ist, wird die Bewegung begonnen. Die ideale Körperhaltung wird für jede Bewegungsabfolge angestrebt und dadurch der Trainingserfolg wesentlich erhöht.

Die präzise Ausführung trägt auch dazu bei, dass die Muskeln lernen, isoliert zu arbeiten. Die Präzision entscheidet, ob eine Bewegung mit Muskelaktivierung oder ohne ausgeführt wird. Es ist sehr bedeutend, dass die einzelnen Bewegungen ganz korrekt durchgeführt werden. Probiere es selber mal: eine präzise ausgeführte Bewegung ist in in allen Facetten intensiver und bereichernder. 

Durch die Präzision können wir unsere Körperhaltung erheblich verbessern. Aus vielen Erfahrungsberichten weiß ich, dass der Effekt auch nachhaltig ist und die Körperhaltung im Alltag verbessert wird. Fehlerhafte und belastende Bewegungen im Alltag werden schneller wahrgenommen. Klingt gut, oder?

Kontrolle

Joseph Pilates nannte seine Trainingsmethode Contrology. Die Kontrolle über unseren Körper und die Bewegungsausführungen ist die Essenz von Pilates.

Um die Bewegungen präzise ausführen zu können, brauchen sie große Achtsamkeit. Jede Bewegung wird mental bewußt und sorgfältig geplant und dann kontrolliert ausgeführt. Hier kommt der schonende Aspekt von Pilates zu Tage. Fehlbelastungen können durch den kontrollierten ganzheitlichen Bewegungsablauf leichter wahrgenommen und so Übungen besser adaptiert werden. Das minimiert das Verletzungsrisiko.

Je geläufiger die Übungen werden, desto feiner können sie abgestimmt werden. Das begünstigt, dass der Leistungsstand stark gesteigert werden kann. Langsam und kontrolliert ausgeführte Bewegungen haben ein viel höheres Mass an Intensität. Muskeln, die nicht unmittelbar an der Bewegung beteiligt sind, kontrollieren die Stabilisierung des Körpers. Beispielsweise wird das Becken stabil gehalten, während sich nur die Arme bewegen. Die Tiefenmuskulatur arbeitet intensiv, um zu stabilisieren. Die Übung wird so viel effektiver, als wenn einfach nur die Arme gehoben werden. Probier das auch gleich aus!

Wenn die Muskelbewegungen kontrolliert werden, benötigt das auch die geistige Aufmerksamkeit.

Das hohe Level der konzentrierte und kontrollieren Bewegungsausführung steigert die Selbstwahrnehmung und die Körperbeherrschung.

Ich hoffe, ich konnte dir gut erklären, was Pilates nun von anderen Trainingsmethoden unterscheidet. Wenn du bereits Pilates trainierst, konnte ich dir vielleicht ein paar Aspekte näher bringen. Wenn Pilates ganz neu für dich ist, bist du vielleicht neugierig geworden. 

Das würde mich sehr freuen!

Alles Liebe! 

Gerlinde

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